Kabelverstopfung: Telekom ändert Strategie gegen Skin-Effekt
Durch die immer höheren Frequenzen, mit denen Daten durch Kupferkabel gejagt werden, werden die äußeren Bereiche der Leitungen überbelastet. Das sorgt für eine Verschiebung der Atome, bei deren Korrektur nun die Kunden helfen sollen.
Die Deutsche Telekom ändert ihren Umgang mit dem sogenannten Skin-Effekt, der dafür sorgt, dass die Übertragungsrate in Kupferkabeln mit der Zeit immer mehr abnimmt. Bislang hatte das Unternehmen versucht, diesem Prozess selbst Herr zu werden und die Kunden möglichst wenig davon spüren zu lassen, aber das ändert sich nun. Auch weil die Kosten immer höher werden, sollen Kunden nun dazu animiert werden, ihre Uploadraten zu erhöhen, um beim Freispülen der Leitungen zu helfen. Mittel der Wahl dürfte dabei Bittorrent werden, arbeitet das Protokoll doch besonders effektiv gegen den Skin-Effekt.
Abgesehen von Anrufen der Schwiegermutter wurden Telefonkabel früher im Schnitt in beiden Richtungen gleich belastet. Mit der verbreiteten Einführung von ADSL hat sich das aber erheblich geändert. Nicht nur, dass nun weit mehr Downstream als Upstream stattfindet, wegen der hohen Frequenzen – bei ADSL im Downstream bis hinauf zu 1104 kHz, bei ADSL2 bis 2208 KHz und bei VDSL2 gar bis 30 MHz – sorgt der sogenannte Skin-Effekt zusätzlich dafür, dass sich der Elektronenfluss auf den äußersten Bereich des Kupferdrahtes konzentriert (Skin-Tiefe 66 µm bei 1 MHz). Im Laufe der Zeit führt die einseitige Belastung zu einer anhaltenden Verschiebung der außen befindlichen Kupferatome. Die resultierende Asymmetrie im kubisch-flächenzentrierten Metallgitter hat fatale Folgen. Dadurch entstehen Echoeffekte und die Dämpfung wird höher, was die maximale Übertragungsrate der verwendeten Discrete Multitone Transmission (DMT) deutlich reduziert.
Der Telekom ist dieser Effekt schon seit langem bekannt. Bislang hatte sie unter hohem Kostenaufwand versucht, das Problem selbst zu lösen. So waren bei besonders "verstopften" Leitungen umständlich Kupferkabel aus der Erde geholt und in umgekehrter Richtung wieder in den Boden gelegt worden. Durch die dadurch verkehrte Hauptfließrichtung der Daten wurde die Verschiebung der Kupferatome rückgängig gemacht – der Stau löste sich also von selbst auf, bevor er nach wenigen Jahren wieder auftauchte. Trotz des hohen Aufwands blieb das für lange Zeit das bevorzugte Vorgehen, da die massive Erhöhung des Uploadaufkommens, die eigentlich nötig wäre, die Netze insgesamt rasch überlastet hätte.
Inzwischen beherrschen aber auch alle modernen Modems einen "Reinigungsmodus", bei dem ein Upstream mit einem dafĂĽr optimierten Datenmuster ausgefĂĽhrt wird. Im Fachjargon hat sich dafĂĽr die englische Beschreibung "Advanced Particle Relocation in Line" durchgesetzt. Aus rechtlichen GrĂĽnden muss der aber vom Kunden veranlasst werden werden. Provider veranlassen dann auf Wunsch solch ein Durchblasen vom Modem aus. Bei schlechten Ăśbertragungsraten sollte man also unbedingt bei der Hotline darauf insistieren.
Neu ist nun die Idee der Telekom, abhängig vom Up-/downstream-Quotienten Rabatte zu gewähren. Bei wem also herunter- und hochgeladene Datenmengen sich die Waage halten, soll das auf der Rechnung spüren und finanziell entlastet werden. Der Rosa Riese erwartet trotzdem Kostensenkungen, da die Kabeldrehungen inzwischen in immer kürzeren Abständen vorgenommen werden müssen. Um die Uploadraten rasch in die Höhe zu treiben, will er baldmöglichst für die Verwendung von Bittorrent werben. Das allein reiche aber noch nicht, es müsse auch dafür gesorgt werden, dass die Nutzer das Filesharing künftig nicht mehr sofort abbrechen, wenn alle Dateien heruntergeladen sind. Erst durch anhaltende Uploads würden die Leitungen gereinigt und dafür werbe die Telekom mit dem Slogan "Please seed!". (mho)